Merz bittet Anhänger der Ampel-Parteien, CDU zu wählen (2024)

Im Fernduell von Kanzler Scholz und CDU-Chef Merz gibt es erstaunliche Gemeinsamkeiten: Beide machen die Ampel verantwortlich für das Erstarken der AfD. Scholz meint allerdings nur den Streit in seiner Koalition - Merz meint ihre Politik.

Die letzte direkte öffentliche Auseinandersetzung zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz ist noch nicht so lange her: Anfang Juli war es, als der Unionsfraktionschef dem Kanzler eine Zusammenarbeit anbot. Danach kam es zwar zu einem halbstündigen Treffen im Kanzleramt. Aber das blieb, soweit man weiß, folgenlos.

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Politik 24.06.24

Sommerinterview im ZDF Merz bittet Ampel-Anhänger im Osten, CDU zu wählen

Die Differenzen zwischen beiden, sowohl politisch als auch persönlich, sind wohl doch zu gravierend. Umso erstaunlicher, dass der heutige Schlagabtausch eine ganze Reihe an Gemeinsamkeiten zutage förderte. Es war nur eine indirekte Begegnung: Scholz war zum Sommerinterview in der ARD, Merz beim ZDF.

Wer ist schuld am Erstarken der AfD?

Eine Gemeinsamkeit hatte es in sich: Merz machte die Ampelkoalition für das Erstarken der AfD verantwortlich - und Scholz tat das auch: Mit Blick auf die schlechten Umfragewerte der Ampelparteien machte der Kanzler in einer kurzen Runde mit Zuschauerfragen im Anschluss an das eigentliche Sommerinterview deutlich: Die Politik war richtig, die Performance schlecht. Wörtlich sagte Scholz, die Koalition habe "unglaublich viele Entscheidungen getroffen", die dazu dienten, "dass man zuversichtlich in die Zukunft blicken kann". Über dem "Pulverdampf" werde nicht gesehen, "was da entschieden worden ist".

Auch Merz sieht die Ampel als zentralen Grund für das starke Abschneiden der AfD bei den Europawahlen in Ostdeutschland - wenngleich der CDU-Chef vor allem ihre Politik meint, nicht nur den Streit. Merz betonte, dass er viel im Osten unterwegs sei und dort mit Menschen über ungelöste Probleme spreche: in der Flüchtlingspolitik und bei Integration, Arbeitsmarkt und Schulen. Dazu wolle man Antworten finden und damit bei den drei ostdeutschen Landtagswahlen im September werben.

Merz: Wir können es auf Platz 1 schaffen

Mit Blick auf diese Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg forderte Merz eine Unterstützung der anderen demokratischen Parteien und ihrer Anhänger. "Wir können im Osten auf Platz 1 liegen." Das bedeute aber auch, dass die Parteien der politischen Mitte sich darauf einigen müssten, "schon im ersten Wahlgang die CDU zu wählen".

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Sommerinterview im ZDF Merz bittet Ampel-Anhänger im Osten, CDU zu wählen

Die CDU habe in Thüringen ausnahmslos alle kommunalen Stichwahlen gewonnen. "Das zeigt die Stärke der CDU. Vorausgesetzt, es sind andere bereit, sich dann auch einzureihen in solche Wahlen." Vor allem in Thüringen und Sachsen, wo SPD, Grüne und FDP einstellig seien und möglicherweise unter der Fünfprozenthürde bleiben würden, könne er die Wähler nur bitten, die CDU zu wählen.

Einigkeit beim BSW

Sowohl Scholz als auch Merz sagten, dass die Frage einer Zusammenarbeit mit dem BSW in den Ländern entschieden werde. Position der SPD sei, dass solche Fragen vor Ort entschieden würden, so Scholz. Einig sei sich die SPD aber darin, dass die AfD kein akzeptabler Partner sei. "Und daneben gibt es Entscheidungen vor Ort." Für die Bundesebene schloss Scholz eine Zusammenarbeit mit dem BSW als unvorstellbar aus.

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Ähnlich machte es Merz. Eine Zusammenarbeit mit dem BSW auf Bundesebene schloss er aus. Er sprach von einer "Ein-Personen-Partei", die in vielen Bereichen "extrem links" sei, während sie bei Themen wie Einwanderung und Integration "mit Tönen unterwegs" sei, "die wir eigentlich nur von der AfD hören". In den Ländern müssten die Landesparteien entscheiden, was "nach diesen sehr schwierigen Landtagswahlen jetzt im Herbst passiert". Darüber habe es in der CDU "immer" einen Konsens gegeben.

Allerdings hatte Merz noch vor zwei Wochen ganz anders geklungen. Da sagte er, das BSW sei "in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem". Eine Zusammenarbeit mit dem BSW schloss er da noch insgesamt aus. Nach Kritik aus den Ländern korrigierte er sich dann.

Ein ähnliches Szenario hatte es im vergangenen Jahr gegeben. Da hatte Merz im ZDF-Sommerinterview den Abgrenzungsbeschluss seiner Partei zur AfD für die kommunale Ebene mal eben kurz aufgehoben - um dann später zu erklären, so habe er das nicht gemeint. Die Folge war eine erregte Diskussion in der Union mit unklaren Signalen an Wähler und Anhänger. Die dürfte dieses Mal ausbleiben.

"Da ist was los"

Im Feuer steht in diesem Jahr eher Scholz. Angesprochen auf eine Umfrage aus Thüringen, in der die AfD auf 28 Prozent kommt, die CDU auf 23 Prozent und das Bündnis Sahra Wagenknecht auf 21 Prozent, die SPD aber nur auf 7 Prozent, sagte der Kanzler: "Da ist was los, und ich finde, da darf man nicht drumrumreden." Ein zentrales Thema in Ostdeutschland sei die Unterstützung der Ukraine. "Aber da gibt es aus meiner Sicht nicht die Alternative, dass wir das jetzt ändern", betonte Scholz. Russland habe die Ukraine angegriffen, dies sei "ein ganz klassischer Eroberungskrieg". Um zu verhindern, dass ein solches Vorgehen erfolgreich sei, müsse die Ukraine weiter unterstützt werden.

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Es wirkte, als fühle Scholz sich hier unfair behandelt. Es sei ein bisschen irritiert, sagte Scholz, denn in den vergangenen zwei Jahre sei er ja nur gefragt worden, ob er zu zögerlich sei. "Ich habe immer für Besonnenheit geworben und dafür, dass wir auch alle Möglichkeiten nutzen, eine friedliche Entwicklung, die nicht eine Kapitulation der Ukraine ist, möglich zu machen. Und dazu stehe ich auch weiter."

Merz wiederum kritisierte die Haltung des Kanzlers zur Ukraine als zu zögerlich. Die Bundesregierung habe bei den Ukraine-Hilfen zu spät gehandelt und zu wenig gemacht. "Wir hätten am Anfang mehr tun müssen", sagte der CDU-Chef. Jetzt müsse man schauen, dass man "Möglichkeiten" schaffe, diesen Konflikt irgendwann mal zu beenden.

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Allerdings hat die Union einen ganz eigenen Umgang gefunden, um die Unzufriedenheit der Ostdeutschen mit der Ukraine-Politik der Ampel anzusprechen: Sie fordert mittlerweile, geflüchteten Ukrainern kein Bürgergeld mehr zu zahlen, obwohl die europäischen Vergleichszahlen nicht dafür sprechen, dass das Bürgergeld der zentrale Grund dafür ist, dass Ukrainer in Deutschland weniger häufig arbeiten als in anderen europäischen Ländern. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt fordert mittlerweile gar die Ausweisung arbeitsloser Ukrainer - ein Vorschlag, der rechtlich nicht umzusetzen wäre, da er der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie der EU widerspricht.

Scholz sieht sich nicht als Belastung für die SPD

Der Bundeskanzler machte deutlich, dass er sich trotz schlechter Umfragewerte nicht als Belastung für seine Partei sehe. Er betonte, "von allen relevanten Führungskräften in der SPD" werde klar gesagt, dass man "gemeinsam nach vorne" gehen wolle, soll heißen: Niemand von Bedeutung stellt ihn als nächsten Kanzlerkandidaten infrage. Die SPD werde gebraucht. "Und es ist unsere Aufgabe, für bessere Wahlergebnisse zu sorgen und darum zu kämpfen."

Das sieht Merz komplett anders. Angesprochen auf seine fehlende Regierungserfahrung sagte der CDU-Chef, er vermute, "dass die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland mittlerweile ziemlich die Nase voll hat von der Regierungserfahrung dieser Bundesregierung".

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